Mehr als 7.531 Kinder in Kiel...

… unter 15 Jahren leben in Armut! Lassen Sie uns gemeinschafftlich gegen Kinderarmut kämpfen!

Schaukelndes Kind vor Kieler Skyline

Ursachen und Folgen von Kinderarmut

Sowohl Armut, als auch das Armutsrisiko ist in Deutschland sehr ungleich verteilt.  Arbeitslosigkeit, Alleinerziehende, Mehrkinderhaushalte, als auch Familien mit Migrationsgeschichte, zählen zu den größten Risikogruppen in unserer Gesell­schaft im Hinblick auf Armut. Kinder werden häufig in die Armutslage hineinge­boren und wachsen somit in Armut auf (vgl. Holz und Hock 1999, S.10; Hölscher 2003, S.34f.).

Je nach Dauer und Umfang der zu überwindenden Armuts­phasen, sind Kinder und Jugendliche nicht nur im materiellen Bereich, sondern auch in immateri­ellen Lebensbereichen wie wohnen, Bildung und Gesundheit überproportional stark von Einschränkungen betroffen. Je nachdem wie Eltern mit der erlebten Armut umgehen können, wirkt sich deren Bewältigungsmuster auf das Wohlbefinden ih­rer Kinder aus.

Die berufliche Qualifikation der Eltern und die daraus resultierende finanzielle Lage, sowie der soziale Status, sind ausschlaggebend für die Entwicklungs- und Zukunftschancen der Kinder (vgl. Hölscher 2003, S.24).

Aus einer Bielefelder Studie „Health Behaviour in School - Agend Children – A WHO Cross National Survey“[1] geht hervor, dass der soziale Status des Haushal­tes sich zusammensetzt aus den Bildungsabschlüssen und der beruflichen Tä­tigkeit der Eltern. Somit vermeiden niedrige Qualifikationen deutlich die Chance eines gesicherten Lebens.

Zwar sind die Arbeitslosenzahlen deutschlandweit gesehen so niedrig wie schon lange nicht mehr (2017 mit 5,8%) (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2017), jedoch wird es besonders für diejenigen schwierig, die bereits „verloren gegangen“ sind. Denn die neu geschaffenen Arbeitsplätze sind in der Regel für Menschen mit höheren Qualifikationen. Somit haben Menschen, die diesen Ansprüchen nicht gerecht werden können, z.B. aufgrund keines oder eines zu niedrigen Bildungs­abschlusses, auf diesem Arbeitsmarkt immer weniger Chancen (vgl. Hölscher 2003, S.24; Leibfried Et al. 1995, S.224).

[1] Die „Health Behaviour in School aged Children“ (HBSC) – „A WHO Cross National Survey“ (Hessische Teilstudie) ist eine Studie, die eine Bestandsaufnahme der Gesundheit und des Gesundheitsverhaltens von Kindern und Jugendlichen vorgenommen hat. Im Bundesland Hessen wurden 3.000 Schüler/innen aus den 5., 7. Und 9. Klassen zum Thema Gesundheit befragt. Diese HBSC Studie wird im WHO-Studienverbund alle 4 Jahre durchgeführt, an welcher sich mittlerweile 47 Länder an dem Forschungsverbund beteiligen. In Deutschland begann die Langzeitstudie im Jahr 2002. (vgl. HBSC 2010)

Quellen:

Bundesagentur für Arbeit (2017): Arbeitslosenquote in Deutschland im Jahresdurchschnitt von 1996 bis 2018. <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1224/umfrage/arbeitslosenquote-in-deutschland-seit-1995/>. 13.06.2019.

HBSC=Health Behaviour in School-age Children (2010): HBSC-Studie Deutschland. <http://hbsc-germany.de/die-hbsc-studie/>. 13.06.2019.

Hölscher, P. (2003): "Immer musst Du hingehen und praktisch betteln". Wie Jugendliche Armut erleben. Frankfurt/Main: Campus Verlag.

Leibfried, S. u.a. (1995): Zeit der Armut. Lebensläufe im Sozialstaat. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

Das Statistische Bundesamt kam bereits 1998 zu der Aussage, dass Kinder häu­figer von Armut betroffen sind, wenn sie in Familienhaushalten mit drei und mehr Kindern, sowie Ein-Eltern-Haushalte leben.

Diese Kinder leben auch überdurchschnittliche lange in der Abhängigkeit von So­zialhilfe. Oft zieht eine Trennung, bzw. eine Scheidung schwerwiegende wirt­schaftliche Einschränkungen nach sich. Ein-Eltern-Haushalte weisen eine etwa doppelt so hohe Armutsquote auf, im Vergleich zu anderen Risikogruppen aber auch im Vergleich zu Paarhaushalten.

Ein weiteres ausschlaggebendes Kriterium bezüglich des Armutsrisikos liegt da­rin, ob und in welchem Ausmaß einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird. Bei einem Alleinverdiener mit einer Teilzeitstelle liegt das Armutsrisiko bei 30,4%, von insgesamt 901.000 Betroffenen in Deutschland.

Im Vergleich zu einer Vollzeitstelle, minimiert sich das Risiko auf 15,1 %, von 471.000 betroffenen Haushalten in Deutschland. In einem Haushalt indem einer Voll- und einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen wird, sinkt das Armutsrisiko auf 5%. (vgl. BMFSFJ 2017, S.51)


Ein zusätzlich erhöhtes Risiko besteht für Alleinerziehende, wenn sie Kinder im Vor- und Grundschulalter haben. Es ist nach wie vor schwierig, eine existenzsi­chere Erwerbstätigkeit mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren (vgl. Hölscher 2003, S.37). Zwar wächst der größte Teil der Kinder noch in Paarhaushalten auf, allerdings weicht die „klassische Normalfamilie“ immer mehr den alternativen Fa­milienformen.

In Kiel lebten 2017 39,5% Alleinerziehenden Haushalte, wobei es meistens Al­leinerziehende Frauen sind (vgl. Stadelmann und Richter 2018, S.27). 2014 war noch jeder fünfte Haushalt eine Familie mit nur einem Elternteil, 2016 gab es noch 14,1% alleinerziehende Haushalte und 80,2% Paarhaushalte (vgl. Statisti­sches Bundesamt 2018).    

Je mehr Kinder eine Familie hat, desto größer ist der Druck, dass ein Elternteil aufhört zu arbeiten, um die Kinder zu betreuen. Hier spielt auch die Verfügbarkeit bzw. Nicht-Verfügbarkeit von Krippen- und Kindergartenplätzen eine Rolle.

Die Armutsrisikoquote steigt in einem alleinerziehenden Haushalt um 8% an, wenn mehr als ein Kind Teil dieses Haushaltes ist. In Paar­haushalten sinkt die Armutsrisikoquote sogar um 1%, wenn mehr als ein Kind Teil dieses Haushaltes ist. Dafür steigt er jedoch rasant an, von 11% auf 27%, wenn in einem Paarhaushalt mehr als zwei Kinder leben.

Anzahl und Anteil der armutsgefährdenden Kinder, nach Familientyp und Anzahl der Kinder, 2014


BMFSFJ 2017, S.49

Da die deutsche Gesellschaft nach wie vor von einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung geprägt ist, wird die Frau im Berufsleben benachteiligt und Män­nern eine aktive Beteiligung in der Familie erschwert. Die daraus resultierenden Folgen sind gravierend: Kinderreiche arme Familien sind nicht nur finanziell überlastet, es fehlt ihnen zusätzlich auch an Chancen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in einer eher weniger kinder­orientierten Gesellschaft. Auch wird diesen Familien zusätzliche gesellschaftliche Sanktionen zugemutet, wie z.B. der Vorwurf verantwortungslos zu handeln be­züglich der Anzahl ihrer Kinder.

Somit wird Armut im Bewusstsein der Öffentlichkeit häufig den Eltern zur Last gelegt, die wenig Solidarität von der Gesellschaft erfahren.

Quellen:

BMFSFJ (2017) = Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Familienreport 2017. Leistung, Wirkungen, Trends. <https://www.bmfsfj.de/familienreport-2017>13.06.2019

Hölscher, P. (2003): "Immer musst Du hingehen und praktisch betteln". Wie Jugendliche Armut erleben. Frankfurt/Main: Campus Verlag.

Stadelmann, K. und Richter, L. (2018): Sozialbericht 2018. Daten für Taten. Landeshauptstadt Kiel, Referat des Dezernats für Soziales, Gesundheit, Wohnen und Sport. Kiel: Hansadruck Kiel.

Statistisches Bundesamt (2018): Familien und Familienmitglieder mit minderjährigen Kindern in der Familie. Im Jahr 2017 nach Lebensform und Gebietsstand. <https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Haushalte-Familien/Tabellen/2-6-familien.html> 13.06.2019.

Zu Familien mit Migrationsgeschichte zählen die in einem Haushalt zusammen­lebenden Eltern-Kind-Gemeinschaften, mit Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, bei denen mindestens ein Elternteil:

  •     eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt,
  •     die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erhielt
  •     oder Spätaussiedler ist,

unabhängig davon, ob diese Personen zugewandert sind oder in Deutschland geboren wurden.

Die Gruppe der Menschen mit Migrationsgeschichte sind überpropor­tional von Arbeitslosigkeit betroffen und somit auch armutsgefährdet (vgl. Fischer 2000, S.14).

Am 30.09.2017 lebten 29.635 Menschen mit Migrationsgeschichte in Kiel, 3.250 von ihnen waren zu diesem Zeitpunkt arbeitslos, das sind 10,97% (Rassmus und Richter 2017, S.11). Somit bilden Familien mit Migrationsgeschichte einen festen Bestandteil der Armutsbevölkerung. Ein großer Teil, der armutserfahrenen Kin­der, wächst in Familien mit Migrationsgeschichte auf. Diese Familien haben häu­figer drei oder mehr Kinder zu versorgen. Auch das Einkommen spielt eine große Rolle. 29% der Familien mit Migrationsgeschichte verdienen weniger als 60% vom mittleren Durchschnittseinkommen und gelten aufgrund ihrer geringen finanziellen Res­sourcen als armutsgefährdet.

 Armutsgefährdungsquoten von Familien (mit Kindern unter 18 Jahren) nach einzelnen Herkunftsgruppen


(BMFSFJ 2016, S.28)

 

Das sind mehr als doppelt so viele Familien, wie jene ohne Migrationsgeschichte (13%). Erhebliche Unterschiede bestehen mit Blick auf Herkunftsland bzw. -re­gion. Während die Armutsgefährdungsquote unter Familien mit Spätaussiedler-Status bei 24% liegt, ist sie bei aus der Türkei stämmigen Familien, so hoch wie bei keiner anderen Herkunftsgruppe: Jede dritte Familie gilt hier als armutsge­fährdet (36 %).

Quellen:

BMFSFJ (2016) = Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Familien mit Migrationshintergrund. Analysen zur Lebenssituation, Erwerbsbeteiligung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 3. Auflage. Berlin:Silber Druck.

Fischer, B. (2000): Statt eines Vorwortes: Mit einer sozial tief gespaltenen Gesellschaft ins 3. Jahrtausend?! In: Butterwegge, C.: Kinderarmut in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen und Gegenmaßnahmen. Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Rassmus, B. und Richter, L. (2017): Sozialbericht 2017. Daten für Taten. Landeshauptstadt Kiel, Referat des Dezernats für Soziales, Gesundheit, Wohnen und Sport. Kiel: Hansadruck Kiel.

Die materielle Armut meint, dass einer Familie so wenig Geld zur Verfügung steht, dass dadurch eine existenzielle Grundsicherung nicht gewährleistet ist. Kinder nehmen Armut oft als materielle Beschränkung wahr (z.B. kein Kinobe­such, keine Markenartikel, keine Sportverein Mitgliedschaft usw.).

Hinzu kommen meist beengte Wohnverhältnisse, das Teilen des Zimmers mit Geschwisterkindern, das Fehlen von Entwicklungsstand geeignetem Spielmate­rial.

Der Besuch von Gleichaltrigen ist oft nicht möglich oder wird als unangenehm empfunden. Somit lässt sich sagen, dass Kinder in Armutslagen, im Vergleich zu Kindern aus nicht armen Familien über geringere Gestaltungsmöglichkeiten und Entfaltungsspielräume verfügen.

In dem Kieler Sozialbericht 2018 wird gesondert auf das Thema Zahngesundheit bei Kindern eingegangen. Beeinträchtigungen der Mundgesundheit, insbesondere der Zähne, können Folgeerkrankungen bis hin zu Entwicklungshemmnissen ver­ursachen. So kann beispielsweise die Vermeidung bestimmter Lebensmittel auf Grund von Zahnschmerzen Mangelzustände hervorrufen. Ängste, durch Spre­chen und Lachen ein schadhaftes Gebiss zu zeigen, können zum sozialen Rück­zug führen. Auch das Sprechen lernen wird erschwert.

Es wurden Erstklässler/innen in Kiel auf naturgesunde Zähne untersucht. Auffäl­lig in der folgenden Karte ist die Überschneidung mit den Zahlen der sozialgeld­berechtigten Kinder in Kiel.

Anteil der Sozialgeldberechtigten Kinder und der Erstklässlerinnen und Erstklässler mit naturgesunden Zähnen nach Ortsteilen (2016)


(Stadelmann und Richter 2018, S.42)

Im Schuljahr 2016/2017 weisen 53,2% der untersuchten Kinder naturgesunde Zähne auf. Dieser Anteil stagniert in den letzten Jahren, 2015 waren es 53% (vgl. a.a.O., S.40f.). Ebenso auffällig sind die Untersuchungen zum Übergewicht der Erstklässler/innen.

Erstklässler mit Übergewicht


(Rassmus und Richter 2017, S.40)

Auch hier sind die Ortsteile mit den höchsten Anteilen an übergewichtigen Kin­dern Neumühlen/Dietrichsdorf mit 16,7%, Gaarden mit 16,2% und Mettenhof mit 16,6%. Nicht nur die individuellen Ernährungsgewohnheiten können zu Überge­wicht führen. Bewegungsmangel, geringes Einkommen und ein niedriger Bil­dungsstand der Eltern und der damit verbundene seelische Druck beeinflussen das Körpergewicht der Kinder.

Eine Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zufolge rauchen Men­schen die wenig verdienen statistisch häufiger. Auch hier ist die Folge eine ge­ringere Lebenserwartung. Während nur 20% der über 14-jährigen Deutschen mit Abitur rauchen, sind bei den Menschen ohne Schulabschluss 42% Raucher (vgl. Kastaun Et al. 2017). Somit wird die Gesundheit der in Armut lebenden Person auch durch ihren Bildungsstand beeinflusst.

Außerdem ist erwiesen, dass doppelt so viel Männer und Frauen aus der nied­rigsten Einkommensgruppe sterben, bevor sie das 65. Lebensjahr erreicht ha­ben, als im Vergleich zu Frauen und Männern aus der höchsten Einkommens­gruppe. So betrug die Differenz zwischen der höchsten und der niedrigsten Ein­kommensgruppe bei Frauen 8,4 Jahre und bei den Männern 10,8 Jahre (vgl. Lambert 2017).

Quellen:

Kastaun, S. u.a. (2017): Study protocol of the German Study on Tobacco Use (DEBRA): a national household survey of smoking behaviour and cessation. BMC Public Health.

Lambert, T. (2017): Soziale Ungleichheit der Lebenserwartung in Deutschland. <http://www.bpb.de/apuz/30179/soziale-ungleichheit-der-lebenserwartung-in-deutschland>. 10.07.2018.

Rassmus, B. und Richter, L. (2017): Sozialbericht 2017. Daten für Taten. Landeshauptstadt Kiel, Referat des Dezernats für Soziales, Gesundheit, Wohnen und Sport. Kiel: Hansadruck Kiel.

Stadelmann, K. und Richter, L. (2018): Sozialbericht 2018. Daten für Taten. Landeshauptstadt Kiel, Referat des Dezernats für Soziales, Gesundheit, Wohnen und Sport. Kiel: Hansadruck Kiel.

Die materielle Notlage der Eltern spiegelt sich häufig in der mangelnden Bildung betroffener Kinder wieder und so wird der Zugang zu höheren Schulen oftmals von der Herkunft, dem Bildungsstand und der beruflichen Stellung der Eltern ab­hängig gemacht.

Die AWO-ISS-Langzeitstudie zeigt, dass die gesamte schulische Bildungsbiogra­fie armer Kinder deutlich belasteter ist, als bei Kindern aus sicheren ökonomi­schen Verhältnissen. Bereits der Schulstart verläuft seltener regelhaft; vielmehr gibt es bereits mehr Rückstellungen – aufgrund von Entwicklungsverzögerungen aber auch mehr vorzeitige Einschulungen, vermutlich aufgrund der zu zahlenden Gebühren für die Kindertageeinrichtung, sowie Elternbeiträge für die Verpfle­gung, das Material und/oder Veranstaltungen bzw. Ausflüge – als bei nicht armen Sechsjährigen (vgl. Hock Et al. 2000).

Laut Bertelsmann Stiftung werden ärmere Familien von Beiträgen für Kinderta­geseinrichtungen stärker belastet als besser gestellte Familien. Eltern mit weni­ger als 60% des mittleren durchschnitt Einkommens zahlen etwa 10% ihres Einkommens für die Kindertageseinrichtung ihrer Kinder, besser gestellte Eltern nur rund 5% (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018)

Die Wiederholungsuntersuchung der AWO-ISS-Langzeitstudie am Ende der Grundschulzeit zeigt weitere Benachteiligungen: Arme Kinder haben häufiger eine Klasse in der Grundschule wiederholt; besonders hoch ist das Risiko bei Generation bedingter Armut und in Ein-Eltern-Familien.

Die Durchschnittsnoten sind in allen Fächern bis auf Sport schlechter, und auch Gymnasialempfehlungen sind im Vergleich zu den nicht armen Altersgenossen seltener. Das trifft auch zu, wenn die Eltern trotz Armut ein hohes Bildungsniveau haben, sodass von einem eigenständigen Armutseffekt auszugehen ist (vgl. Holz Et al. 2006).

Wer schon als Kind keine Chance auf eine adäquate Bildung und eine gesicherte Ausbildung erhält, wird auch im Erwachsenenleben nur schwer der Armut entrinnen können. So wird Armut häufig von einer in die nächste Generation weitergege­ben.

Im Kieler Sozialbericht 2018 ist noch ein weiterer Zusammenhang zwischen Bil­dung und Teilhabe aufgekommen. Die Wahlbereitschaft in den Ortsteilen mit niedrigerem Einkommen, überdurchschnittlichen Transferbezügen und hoher Ar­beitslosigkeit sinkt.

So sinkt die Wahlbereitschaft in Ortsteilen mit ohnehin geringeren Wahlbeteiligungen wie Gaarden (von 39,5 Prozent im Jahr 1998 auf 22,5 Prozent im Jahr 2018) oder Mettenhof (von 47,9 Prozent im Jahr 1998 auf 28,0 Prozent im Jahr 2018) deutlich. Dagegen sind die Veränderungen in Ortsteilen mit hoher Wahlbeteiligung wie Schilksee (von 68,6 Pro­zent im Jahr 1998 auf 62,9 Prozent im Jahr 2018) oder Holtenau (von 63,6 Prozent im Jahr 1998 auf 64,5 Prozent im Jahr 2018) eher unauffällig. (Stadelmann und Richter 2018, S.70)

Quellen:

Bertelsmann Stiftung (2018): Mehr Kita-Qualität und Beitragsfreiheit kosten jährlich 15 Milliarden Euro. <https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2018/mai/mehr-kita-qualitaet-und-beitragsfreiheit-kosten-jaehrlich-15-milliarden-euro/>. 13.06.2019.

Hock, B. u.a. (2000): Gute Kindheit - Schlechte Kindheit? Armut und Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Abschlussbericht zur Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt. Franktfurt am Main: ISS-Eigenverlag.

Holz, G. u.a. (2006): Zukunftschancen für Kinder!? – Wirkung von Armut bis zum Ende der Grundschulzeit. Endbericht der 3. AWO-ISS-Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt e.V.. Frankfurt am Main: ISS e.V..

Stadelmann, K. und Richter, L. (2018): Sozialbericht 2018. Daten für Taten. Landeshauptstadt Kiel, Referat des Dezernats für Soziales, Gesundheit, Wohnen und Sport. Kiel: Hansadruck Kiel.

Für Kinder bietet die Familie den entscheidenden Rahmen für die kognitive, emo­tionale, sprachliche, Persönlichkeits- und Sozialentwicklung, sowie wie, die körperliche und psychische Gesundheit. So bildet eine stabile und tragfähige Beziehung zu den Eltern die Grundlage für eine gelingende Sozialisa­tion, wodurch die Familie einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf kindli­cher Entwicklungsprozesse nehmen kann (vgl. Pyde 1999, S.21ff.).

Jedoch kann es Familien in Armutslagen schwer fallen, sich in einem angemessenen Maße um ihre Kinder zu Kümmern. Denn je weniger Einnahmen eine Familie zur Verfügung hat, desto höher ist die Anforderung und Belastung an die Haushalts­führung.

 Je nachdem wie lange eine Familie von der finanziellen Notlage betroffen ist, muss eine neue Balance zwischen den Familienmitgliedern gefunden werden, die ein Auskommen mit den begrenzten Mitteln ermöglicht. Der Prozess kann sich sehr belastend auf die Familienmitglieder auswirken, wodurch es zur Ausei­nandersetzungen und erhöhten Spannungen innerhalb der Familie kommen kann. So hängt es im Wesentlichen davon ab, wie die Eltern die familiären Inter­aktionen und Beziehungen ausgestalten und welches Erziehungsverhalten sie gegenüber ihrem Kind zeigen.

Quellen:

Pyde, B. (1999): Kinder die von Sozialhilfe leben. Auswirkungen und Anforderungen an die pädagogische Praxis. Kinderarmut in Deutschland. Fachmagazin des SOS-Kinderdorf e.V. München, S.21-26.

Die hier dargestellten Risikogruppen beziehen sich immer auf erwachsene Men­schen. Daher sei festgehalten das Kinderarmut immer Familienarmut darstellt. Den Kindern kann nicht unabhängig von ihrer Herkunftsfamilie geholfen werden, es muss immer die gesamte Familie und ihre Geschichte in den Fokus genom­men werden. Kinderarmut beeinträchtigt das Aufwachsen von Kindern meist massiv.

Grundsätzlich möchte sich niemand als arm bezeichnen lassen. Kinder die unter materiellem Verzicht durch geringes ökonomisches Kapital aufwachsen müssen, müssen dieses nicht zwingend als negativ empfinden. Es kann im Ermessen und der Fähigkeit zur Re­flexion der Eltern liegen, Armut nicht zur Kinderarmut werden zu lassen. Das ge­ringe finanzielle Ressourcen, Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung haben, ist bekannt, jedoch ist die psychische Belastung der Eltern, besonders bei lang­anhaltenden Armutsperioden für die Kinder gravierend. Die ausweglose Lage der Eltern führt zu einer enormen Beeinträchtigung der Eltern-Kind-Beziehung.

So kann es zur Sprachlosigkeit zwischen Eltern und Kind kommen, was bedeutet, dass Kinder keinerlei Rückmeldung bekommen und so nur ein geringes Selbstwertge­fühl aufbauen können. Für die Entwicklung der Kinder ist jedoch bedeutend, wie sie sich und ihre Familie selbst erleben. Butterwegge betont:

Kinder armer Familien sind jedoch nicht automatisch schulisch benachteiligt, unglückli­cher, häufiger krank und psychisch labiler als ihre wohlhabenden Altersgefährt(inn)en. Vielmehr können sie dieses Handikap dann kompensieren, wenn ihnen die Eltern das Gefühl von emotionaler Nähe, Schutz und Geborgenheit vermitteln. (Butterwege et.al. 2005, S.187)

Somit steht Kinderarmut immer unter dem Deckmantel der Familienarmut.

Quellen:

Butterwegge, C.; Klundt, M. und Zeng, M. (2005): Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland.Wiesbaden: VS-Verlag.

Holz, G. und Hock, B. (1999): Armutslagen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts. Kinderarmut in Deutschland. Fachmagazin des SOS-Kinderdorf e.V., S.10-11.